Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum wächst ständig. 400.000 Wohnungen müssen jedes Jahr gebaut werden, um die Nachfrage weitgehend decken zu können. Doch die Realität sieht anders aus. Mit 295.000 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2022 wurde die Zielmarke weit verfehlt. Branchenvertreter rechnen in diesem Jahr mit nur 280.000 fertiggestellten Wohnungen. Immer mehr Wohnungsprojekte werden storniert. Auch der Staat ist schuld daran.
Gesellschaftliche Aufgabe
Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist eine gesellschaftliche Aufgabe in Deutschland. Der Staat hat dafür zu sorgen, mit entsprechenden Anreizen und Rahmenbedingungen den Wohnungsneubau zu unterstützen. Doch gerade er tritt als Kostentreiber auf. Nach Angaben des Spitzenverbands der Immobilienwirtschaft (ZIA) entfallen 40 % der Baukosten auf staatliche Abgaben und Anforderungen. Eine Kosteneinsparung ist kaum möglich, zumal ständig neue Vorschriften und Normen die Kosten in die Höhe treiben.
360.000 Projekte auf Eis
Reihenweise werden Bauvorhaben storniert. Nach einer Studie des schleswig-holsteinischen Wohnungs- und Bauforschungs-Instituts ARGE (Kiel) liegen 360.000 genehmigte Wohnungen auf Eis. Sie bestehen zwar auf dem Papier, aber es gibt keinen Baustart. Die Gründe sind vielfältig: Lieferengpässe, stark steigende Materialkosten, fehlende Handwerker und hohe Zinsen. Zudem erschweren viele staatliche Hemmnisse den Wohnungsbau.
Staat als Kostentreiber
Die ARGE Kiel nennt in ihrer Studie konkrete Zahlen. Kommunale Auflagen verteuern die Wohnfläche im Neubau im Schnitt um 170 Euro pro Quadratmeter. Auf das Konto des Staates gehen 400 Euro u. a. für diverse Auflagen wie Schall- und Brandschutz, Barrierefreiheit, Sturm- und Erdbebensicherheit, Vorgaben bei Materialien, Fassaden, Stellplätzen und Grünflächen. Derzeit gibt es 3.800 baurelevante Normen, die das Bauen zwar sicherer, aber teurer machen. Dies führt dazu, dass die Kosten für eine Mietwohnung in Großstädten mittlerweile im Schnitt bei 5.000 Euro pro Quadratmeter liegen. Seit 2015 sind die Wohnungsbaukosten um fast 50 % gestiegen.
Hinzu kommen die seit dem 1.1.2023 verschärften Änderungen des Gebäudeenergiegesetztes (GEG). Seit diesem Jahr müssen Neubauten den Standard EH 55 erfüllen. Das bedeutet, dass Gebäude höchstens 55 Prozent der Energie verbrauchen dürfen, die ein gesetzlich definiertes Gebäude benötigt. Ab 2025 soll EH 40 als gesetzlicher Standard gelten.
Eine weitere Belastung sind die sog. Baulandmodelle. Sie kommen zum Tragen, sobald Bebauungspläne geändert oder neu aufgestellt werden. Viele Kommunen nehmen die Bauherren in die Pflicht, geförderten oder preisgedämpften Wohnraum zu schaffen. Angestrebt wird ein Anteil von 30 bis 50 Prozent im Neubau. Doch das Gegenteil ist der Fall, wie eine Studie von Bulwiengesa zeigt. Baulandmodelle verteuern die Mieten im frei finanzierten Wohnungsbau um 17 % und die Kaufpreise um 11 % und wirken sich entsprechend auf den Bau von Sozialwohnungen aus. Berlin erreicht durch das Baulandmodell einen Anteil von 8 %, Düsseldorf 10 % und München 13 % an Sozialwohnungen. Nur Hamburg steht mit 21 % verhältnismäßig gut. Häufig müssen sich Bauherren auch an Infrastrukturmaßnahmen wie Kita- oder Grundschulplätzen beteiligen.
Fazit
Sollen die Zielvorgaben von jährlich 400.000 Wohnungen in Deutschland erreicht werden, muss auch der Staat maßgebliche Kostentreiber begrenzen und die Rahmenbedingen für den Neubau wesentlich verbessern.